Jugend unter Generalverdacht?
Instrumentalisierung, Protest und Verfolgung junger Menschen in der kommunistischen Diktatur
Unter dem oben genannten Leitthema lud die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Dr. Maria Nooke, zum 27. Bundeskongress der Landesbeauftragten, der Bundesstiftung Aufarbeitung sowie der SED-Opferbeauftragten beim Deutschen Bundestag vom 24. – 26. Mai 2024 nach Erkner ein.
Der Bundeskongress fragte in diesem Jahr, wie die Diktatur das Leben Jugendlicher beeinflusst hat, fragte nach Anpassung und Rebellion und nach den langfristigen Folgen der Diktaturerfahrung. Es geht um die Auswirkungen von Unterordnung, Leid und Unterdrückung ebenso wie um Opposition und Resilienz. Mit allen Mitteln versuchten kommunistische Regime, Jugendliche ideologisch zu erziehen und politisch zu mobilisieren. „Sozialistische Persönlichkeiten“ sollten sie werden, loyal zum „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ stehen, seine Ideale vertreten und ihm militärisch dienen. Mitmachen? Widerstehen? Widersprechen? Viele Jugendliche folgten dem Ruf oder ordneten sich unter, aber zahlreiche andere folgten ihrem Drang nach Freiheit und lehnte das enge Korsett, das die SED strickte, ab. Wer nicht ins Raster passte oder widersprach, riskierte Verfolgung und in vielen Fällen sogar Inhaftierung durch den Staatssicherheitsdienst.
„Jugend in der DDR zwischen Fremdbestimmung und Selbstbehauptung“ hieß das erste Panel am 25. Mai, wo nach einem Einführungsvortrag des Kultursoziologen Prof. Bernd Lindner, gemeinsam mit Liedermacher Stepahn Krawczyk und Tina Krone diskutiert wurde. Was die Sozialisation in der DDR für psychische Folgen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinterlassen konnte, erklärte die Psychoanalytikerin Dr. Agathe Israel. Im Gespräch mit der Traumafachberaterin Petra Morawe berichtetetn beide von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Betroffenen, die ihre Erlebnisse in der Haft aufarbeiten. Am Nachmittag wurden die Berichte aus den einzelnen Verbänden und Aufarbeitungsinitiativen vorgestellt. Erwähnt sei an dieser Stelle der Bericht von Michael Güldener, der die neu gegründete Arbeitsgruppe DDR-Sportgeschädigter vorstellte. Bis heute kämpfen die Betroffenen um Anerkennung und Rehabilitierung. Im Anschluss versammelten sich die Beauftragten aller Länder zum gemeinsamen Gespräch über ihre Arbeit, die politischen Herausforderungen und die anstehenden Projekte. Am Abend wurde ein vielfältiges kulturelles Programm geboten: Singen für die Seele mit Matthias Meyer, Swing in den Aebend mit der Tanzschule Swing Shack Potsdam und der Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ von 2022.
Der letzte Tag des Kongresses begann mit einem Podiumsgegspräch zum Thema „DDR – Fußnote der Geschichte?“ bei dem Dr. Maria Nooke gemeinsam mit der Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, dem Vorsitzenden des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e.V., Niko Lamprecht, und der Geschichtsdidaktikerin Prof. Kathrin Klausmeier über die Herausforderungen in der schulischen und universitären Vermittlung von DDR-Geschichte sprach und der Bildungssenatorin Günther-Wünsch anschließend eine gemeinsame Resolution der Kongressorganisatoren und -teilnehmer überreichte, in der unter anderem die prüfungsrelevante Verankerung der Geschichte der SBZ/DDR sowie der deutschen Teilung im Schulunterricht und die Einrichtung von Lehrstühlen zur Zeitgeschichte mit dem Schwerpunkt Geschichte der SBZ/DDR zur Sicherung kontinuierlicher universitärer Lehre bzw. Lehrkräfteausbildung sowie zur Entwicklung von mittel- und langfristigen Forschungsvorhaben und Projekten gefordert wird.
Der diesjährige Bundeskongress endete mit einer Gedenkveranstaltung in Ketschendorf, wo nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein sowjetisches Internierungslager eingerichtet wurde, in dem mindestens 4.722 Menschen gestorben sind. Die Initiativgruppe Internierungslager Ketschendorf e.V. hat ihre Namen in einem Totenbuch zusammengetragen und am Ort des Massengrabes einen Gedenkort errichtet. Schülerinnen des Oberstufenzentrums Oder-Spree lasen aus Briefgen der Angehörigen der Internierten vor, die erst in den 1990er Jahren über das Schicksal ihrer Angehörigen Gewissheit erlangten. Besonders im Gedächtnis bleibt der Brief einer 89jährigen Frau, die nach über 50 Jahren erst 1997 von dem Tod ihres damals 16 Jahre alten Sohnes erfahren hat.
Wir bedanken uns beim gesamten Team der Landesbeauftragten von Brandenburg für die Organisation des 27. Bundeskongresses und den spannenden Austausch!