Konflikt und Zusammenarbeit. Demokratie und Gesellschaft seit den Friedensrevolutionen 1989/90
Die Geschichtsmesse vom 02. bis 04. März 2023 begrüßte dieses Jahr zum 15. Mal um die 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Ringberg Hotel in Suhl (Thüringen).
„Unter dem Titel ‚Konflikt und Zusammenhalt‘ soll im Rahmenprogramm der Geschichtsmesse der Frage nachgegangen werden, wie einig, gespalten oder polarisiert unser Land und Europa im vierten Jahrzehnt nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft und der Deutschen Einheit ist. In den vergangenen Jahren haben wir verschiedene Krisen und Veränderungen erlebt, die unsere Gesellschaften vor große Herausforderungen stellen. In der öffentlichen Debatte dominieren dabei oft radikale Positionen und die Stimmen der Unzufriedenen. Immer wieder ist von einer zunehmenden „Spaltung der Gesellschaft“ die Rede, einer Kluft, die auch Ost und West erneut trenne. Stimmt dieses häufig vermittelte Bild? Wo verlaufen die Trennlinien in unserer Gesellschaft – und was verbindet uns? Welche Wahrnehmung herrschen jeweils im Osten und Westen Deutschlands und Europas vor, und welche Rolle spielt dabei die Vergangenheit von Teilung und Diktatur? Dies werden nur einige der Fragen sein, die auf der Geschichtsmesse 2023 diskutiert werden sollen.“ (Info der Bundesstiftung Aufarbeitung)
Frau Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung, eröffnete die 15. Geschichtsmesse mit einer Begrüßung und Einführung für die folgenden Tage. Suhls Oberbürgermeister André Knapp und die Teamleiterin der Veranstaltung, Dr. Sabine Kuder, schlossen sich mit Grußworten an.
Anschließend folgte ein Einführungsvortrag sowie Gespräch mit Dr. Claudia Gatzke von der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg zum Thema „Demokratiekonflikte in der vereinigten Bundesrepublik“. In dieser thematischen Auseinandersetzung wurde der Blick auf Fragen wie „Welches Maß an Konflikten und gesellschaftlichen Unterschieden eine Demokratie aushalten kann, soll und muss?“ oder „Wie sich Demokratiekonflikte im vereinten Deutschland mit Aufmerksamkeit der Demokratiegeschichte begreifen lassen?“, gelenkt.
Die Veranstaltungen am Nachmittag und Abend setzten sich aus zwei Podiumsgesprächen zusammen. Thomas Brussig (Schriftsteller), Dr. Claudia Gatzke, Dr. Frank Hoffmann (Ruhr-Universität Bochum), Vũ Vân Phạm (RAA Leipzig e.V.) und Bodo Ramelow (Ministerpräsident des Freistaates Thüringen) traten unter der Moderation von Harald Asel (rbb24 Inforadio) in den Austausch über „das vereinte Deutschland im Perspektivwechsel – Bleibt alles anders?“ Mit diesem Gespräch wurde das thematische Spektrum der Geschichtsmesse geöffnet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehende Krisenlage offenbart erneut bestehende oder wahrgenommene Unterschiede zwischen der ost- und westdeutschen Gesellschaft. Unter verschiedenen Ansätzen, wie welche Wahrnehmung in Ost- und Westdeutschland vorherrschen sowie wo die Trennlinien in unserer Gesellschaft verlaufen, wurde dieses Thematik diskutiert. Im folgendem Podiumsgespräch haben unter der Moderation von Tamina Kutscher (freie Journalistin) die Journalistin Rayna Breuer, Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder), Markus Meckel (Ratsvorsitzender Bundesstiftung Aufarbeitung), Ramūnas Misiulis (Botschafter der Republik Litauen in Deutschland) und Dr. Manfred Sapper (Zeitschrift OSTEUROPA) darüber diskutiert, ob Europa entlang des einstigen „Eisernen Vorhangs“ noch immer gespalten ist – „Eine andere Welt“. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 setzte sofort eine breite und bis heute andauernde Solidarität mit der Ukraine ein, dennoch lassen sich aus Teilen der westeuropäischen Öffentlichkeit auch abweichende Stimmen entnehmen. Dies bringt die Frage hervor, ob Europa auch heute weiterhin gespalten ist und wenn ja, entlang welcher Linien? In dieser spannenden Diskussion wurde dafür der Fokus auf die Rolle der Freiheitsgeschichten der Länder sowie die Aufarbeitung der Vergangenheit gelenkt.
Beim ersten Programmpunkt am Freitag, den 03. März 2023, wurden die aktuellen Angebote der Bundesstiftung Aufarbeitung durch Dr. Robert Grünbaum vorgestellt. Der Fokus lag dabei auf den 70. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR, so richteten sich die zentralen Angebote auf den Förderschwerpunkt „Protest und Aufstände“. Anschließend fand unter dem Titel „Der Kampf um die ‚Wahrheit‘. Desinformation, Propaganda und Polarisierung in den (modernen) Medien und ihre Auswirkungen auf die politisch-historische Bildungsarbeit“ mit Brigitte Baetz (freie Journalistin, Schwerpunkte Medien und Geschichte), Prof. Dr. Christian Bunnenberg (Ruhr Universität Bochum), Dr. Michael Parak (Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.), Nenad Vukosavljević (CNA (Center for Non-Violent Action) unter der Moderation von Ebru Taşdemir (Politikredakteurin, der Freitag) ein weiteres Podiumsgespräch statt.
Am Nachmittag konnten wieder verschiedene Projektpräsentationen und Workshops besucht werden. Das Dokumentationszentrum am Moritzplatz besuchte die Präsentationen zu den Themen „Erinnerungsorte 1“, „Schule“ und „Geschichte erleben inklusiv“. Die Vorstellungen sowie anschließenden Austauschmöglichkeiten boten Anregungen für neue Sonderausstellungen, Veranstaltungen und Projektangebote, die perspektivisch in naher Zukunft in den einzelnen Institutionen und Bildungseinrichtungen umgesetzt werden sollen. Insbesondere die Projekte zur leichten Sprache und barrierefreien Websites gaben den Anreiz dies auch im Dokumentationszentrum am Moritzplatz in den Fokus zu nehmen und somit ein noch größeres Publikum erreichen zu können. Die Gestaltung von Projekttagen unter Einbezug digitaler Hilfen (z.B. selbstgestaltete Lernplattformen mit Videos, Sprachmemos, Rätseln usw.) passt sich dem Zeitalter der Digitalisierung an und kann eine vielversprechende Ergänzung für die Bildungsarbeit bieten. Auch für jüngere Gäste (ab der 4. Schulklasse) konnten durch Materialien wie „Der Mauer-Kritzelblock“ oder „Kinder fragen – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler antworten“ Anreize für eigene Umsetzungen in der Arbeit mit Kindern und der DDR-Geschichte gesammelt werden. Am Abend wurde erstmals der Film „STALIN – Leben und Sterben eines Diktators“ von Daniel und Jürgen Ast in Co-Produktion mit dem RBB, gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, präsentiert. Er bot einen Einblick in die Geschichte Stalins, dessen Todestag sich am 05. März 2023 zum 70. Mal jährte.
Der letzte Tag der Geschichtsmesse begann mit einem Impulsvortrag von Maria Bering (Gruppenleiterin Geschichte; Erinnern“ bei der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien) zum Thema: „Wie erinnern für die Zukunft? Aktuelle Herausforderungen und neue Chancen bei der Aufarbeitung und Vermittlung der Geschichte der kommunistischen Diktaturen“ an dessen sich ein Podiumsgespräch in internationaler Besetzung anschloss. Im Gespräch haben sich Frau Bering, Dr. Jonila Godole (University of Tirana), Prof. Dr. Ralph Jessen (Universität zu Köln), Anna Margvelashvili (Soviet Past Research Laboratory / Georgien), Miriam Menzel (Kooperative Berlin / Alfred Landecker Foundation), Dr. Christian Stöber (Grenzmuseum Schifflersgrund) unter der Moderation von Sven Felix Kellerhof (Leitender Redakteur, WELTGeschichte) mit der Aufgabe der Aufarbeitung von Diktaturen und ihrer Folgen in ehemals kommunistisch beherrschten Ländern beschäftigt. Nach abschließenden Worten von Dr. Kaminsky und Dr. Kuder wurden die TeilnehmerInnen der 15. Geschichtsmesse verabschiedet.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für die gelungene und gut organisierte Veranstaltung sowie für die vielseitigen Angebote.
Auf der Internetseite der Bundesstiftung Aufarbeitung und deren YouTube-Kanal kann man sich über die Geschichtsmesse informieren.
Fotos: Sandra Böhme